Kaufsucht: Volle Tüten, leeres Portemonnaie

Menschen mit Kaufsucht haben ein unkontrollierbares Verlangen, etwas zu kaufen. Zu Beginn der Sucht kann es schwierig sein, Kaufsucht von herkömmlichem Kaufverhalten zu unterscheiden. Häufig geht die Sucht mit Schulden einher – Heimlichkeiten vor der Familie oder auch Betrug.

Ein besonders Angebot für Betroffene bietet die Drogenhilfe Köln. Wir haben mit Susanne Gutzeit gesprochen. Sie ist systemische Beraterin und Projektleiterin von „Weg aus der Kaufsucht“.

Wie sieht das Projektangebot der Drogenhilfe Köln aus?

Die Drogenhilfe bietet Beratungsgespräche. Es wird geklärt, welche Individuellen Gründe vorliegen und ein angemessenes Einkaufsverhalten erprobt. Wenn angezeigt und gewünscht, kann in ambulante oder auch stationäre Therapie vermittelt werden.

Wer ist von Kaufsucht vorwiegend betroffen?

Betroffen von Kaufsucht sind sowohl Männer als auch Frauen. Die Funktion des Einkaufens ist identisch, es werden lediglich andere Produktgruppen bevorzugt. Es sind prinzipiell alle Altersklassen betroffen, doch der Trend ist bei jungen Frauen erhöht. 

Was sind die Gründe für Kaufsucht?

Auf individueller Ebene variiert „das Problem hinter dem Problem“. Oftmals sind Themen wie ein geringes Selbstwertgefühl oder frühe Kränkungen, Krisen und Traumata relevant. Wenn ein Hang zum Perfektionismus dazukommt, verwenden Betroffenen oftmals viel Energie dafür, makellos zu scheinen und Produkte zum Zweck der „Ich-Erhöhung“ zu nutzen. Oftmals leiden Betroffene ebenfalls unter Ängsten oder Depressionen. Gesellschaftliche Faktoren wie Werbebotschaften und leichter Zugang zu Warenkrediten befeuern ein inadäquates Kaufverhalten. Auch das enorm vielfältige Online-Warenangebot und die Möglichkeit, permanent darauf zugreifen zu können, ist für Menschen mit geringer Impulskontrolle herausfordernd.

Nicht kaufen funktioniert ja im Alltag nicht – wie sind die Perspektiven/Heilungschancen?

Aus nachvollziehbaren Gründen kann Abstinenz nicht funktionieren. Das Ziel der Beratungen ist, wieder ein adäquates Einkaufsverhalten herzustellen. Wir klassifizieren die Einkäufe und differenzieren nach einem Ampelmodell. Welche Käufe sind „grün“ (Lebensmittel, Hygieneartikel), welche „gelb“ (z.B. Geschenke) und welche „rot“ (z.B. Kleidung, Deko-Artikel)? Die Betroffenen lernt auf diese Weise, sich und ihr Einkaufsverhalten selber zu beobachten. Prinzipiell ist davon auszugehen, dass es für sie eine lebenslange Aufgabe bleiben wird, zu reflektieren, wie es Ihnen geht und was sie statt Einkaufen alternativ tun können, um ihre Gefühle zu regulieren.

Wo können sich Betroffene Hilfe suchen?

Finanzielle Fragen kann man mit Hilfe von Schuldnerberatungen klären. Niedergelassene Psychotherapeuten oder Psychiater sind Ansprechpartner für die psychosozialen Themen. Ebenfalls kann man sich an Suchtberatungsstellen wenden. In einzelnen Städten existieren bereits Selbsthilfegruppen.

Welche Tipps gibt es für Angehörige?

Präventiv ist es für Eltern ratsam, schon mit Kindern und Jugendlichen über Geld zu sprechen. Die Kompetenz zu wissen, dass es nicht unendlich zur Verfügung steht und welche Arbeitsleistung hinter welcher Anschaffung steht, schützt vor unangepasstem Geldhandeln und Verschuldung.

Wenn im Familienkreis oder Freundeskreis jemand das Thema Kaufsucht thematisiert, dann schenken Sie bitte ein offenes Ohr. Fast alle Betroffenen berichten, dass sie sehr darunter gelitten haben, dass das Thema bagatellisiert wird. Ein unpassender Frustkauf ist bestimmt von jedem schon einmal getätigt worden. Doch der innere Zwang, sich Glücksgefühle durch andauernde Einkäufe zu beschaffen, unterscheidet sich sehr davon.

Bedenken Sie, dass es mit sehr viel Scham behaftet ist, wenn sich jemand diesbezüglich öffnet. Wenn möglich, bieten Sie ernsthaftes Interesse und fragen Sie nach, welche Form der Unterstützung gewünscht wird.  

Vielen Dank für das Interview!