Ein Gefängnis ohne Gitter

Ein Erfahrungsbericht – zu Besuch im Seehaus Leonberg

Das Seehaus Leonberg ist ein Jugendstrafvollzug in freier Form, der jungen Menschen, die weniger als drei Jahre Haftstrafe verbüßen müssen, eine zweite Chance bietet. Die Einrichtung legt großen Wert darauf, den Jugendlichen Perspektiven aufzuzeigen und sie auf einen positiven Lebensweg zu bringen.

Ankunft und erster Eindruck
Bei meiner Ankunft wurde ich von einem Sozialarbeiter begrüßt. Die Atmosphäre war überraschend locker – einige Jugendliche spielten Tischtennis. Ein Jugendlicher wurde gebeten, mich nach oben zu begleiten und bei der Technik zu unterstützen. Die Jugendlichen erschienen pünktlich zum Termin, was einen sehr positiven Eindruck hinterließ.

Interaktive Finanzschulung

Mein Vortrag drehte sich um das Thema Finanzen. Die Jugendlichen waren äußerst interessiert und stellten viele Fragen, die den geplanten Ablauf deutlich verlängerten. Zu den häufigsten Fragen gehörten:

  • Was ist die SCHUFA?  
  • Welche Bank eignet sich als Hausbank?  
  • Was passiert, wenn ich einen Kredit aufnehme und nicht zurückzahlen kann?  
  • Wie kann ich einen Handyvertrag kündigen, wenn ich ihn nicht nutzen darf?  
  • Was muss ich tun, bevor ich einen gelben Brief (Mahnung) erhalte?  

Ich habe versucht, alle Fragen so gut wie möglich zu beantworten. Besonders beeindruckend war, dass die Jugendlichen auch in der Pause blieben, um weiter Fragen zu stellen.

Seehaus

Persönliche Verbindung
Als ich erwähnte, dass ich ursprünglich Metallbauer gelernt habe und als Quereinsteiger in die Bankbranche gekommen bin, gab es Applaus. Einige der Jugendlichen machen derzeit eine Ausbildung zum Metallbauer, was die Kommunikation auf eine persönliche Ebene brachte.

Unterstützung durch eine Referentin
Unterstützt wurde ich von einer angehenden Referentin, die zuvor sowohl bei einer Schuldnerberatung als auch bei der Schuldenbetreibung einer Bank gearbeitet hat. Sie erklärte den Jugendlichen, was passiert, wenn Rechnungen nicht pünktlich bezahlt werden, und gab wertvolle Tipps zum Umgang mit Schulden.

Zum Abschluss habe ich die Jugendlichen ermutigt, ihre zweite Chance zu nutzen. Ich betonte, dass die Blockaden im Kopf überwunden werden müssen und dass jeder selbst entscheidet, ob er Gutes oder Schlechtes tut. Meine abschließenden Worte waren:


„Bitte passt auf euch auf und gestaltet euer Leben in eine positive Richtung.“

Der Besuch im Seehaus Leonberg war eine bereichernde Erfahrung. Die Jugendlichen zeigten großes Interesse und Engagement. Es wurde deutlich, dass jeder eine zweite Chance verdient und dass es an uns selbst liegt, diese zu nutzen.

Autor: Cavit Özata