Was ist die Verbraucherkreditrichtlinie und inwiefern betrifft sie uns?

Autorinnen: Helena Klinger und Sally Peters (iff)

Was ist die Verbraucherkreditrichtlinie (Consumer Credit Directive)?

Derzeit wird der Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Verbraucherkredite diskutiert. Die Richtlinie regelt den Umgang mit Verbraucherdarlehen, Überziehungskrediten (dem sog. Dispo) sowie geduldeten Überziehungen, die bis 100.000 Euro betragen.
Ziel der Überarbeitung ist es, ein einheitliches hohes Verbraucherschutzniveau in der EU herzustellen und Rechtsunsicherheiten aufgrund unklarer Formulierungen auszuräumen.

Die Erneuerung der Verbraucherkreditrichtline

Die derzeit noch geltende Verbraucherkreditrichtlinie stammt aus dem Jahr 2008. Ziel der geplanten Vorschriften ist es, die geltende Richtlinie von 2008 über Kreditverträge für Verbraucherinnen und Verbraucher zu ersetzen.

Gerade ist die überarbeitete finale englische Fassung erschienen. Nun wird diese Version noch in die Sprachen aller Mitgliedsländer übersetzt.

Eingeleitet werden zudem die formellen Schritte des Annahmeverfahrens. So erfolgt im nächsten Schritt mindestens eine Lesung im Parlament und eine Lesung im Rat. Sollten hier noch Differenzen bestehen, gibt es eine zweite Lesung im Parlament und Rat, ggf. wird noch im Wege des Vermittlungsausschusses ein formeller Trilog einberufen. Da allerdings bereits zahlreiche Vorabstimmungen stattgefunden haben, sollte dem Erlass des Rechtsaktes bereits nach der ersten Lesung nichts mehr im Wege stehen.

Nach Inkrafttreten der neuen Verbraucherkreditrichtlinie haben die Mitgliedstaaten zwei Jahre Zeit für die Umsetzung in nationales Recht, das dann spätestens nach sechs weiteren Monaten Anwendung finden muss. Deshalb ist zu vermuten, dass die neuen Regelungen nicht vor Ende 2025 gelten werden.

Warum muss die Verbraucherkreditrichtlinie geändert werden?

Grundsätzlich geht es um eine Stärkung des Verbraucherschutzes. Seit der Annahme der Richtlinie im Jahr 2008 hat sich nämlich einiges geändert: Durch zunehmende Digitalisierung haben sich Entscheidungsprozesse und Gewohnheiten der Verbraucherinnen und Verbraucher grundlegend geändert. Viele Kreditgeschäfte werden mittlerweile online getätigt. Dadurch hat sich zum einen der Kreditvergabeprozess geändert. So wird die Kreditwürdigkeit der Kunden zunehmend durch KI-Prozesse bewertet. Zum anderen sind neue oder ein verstärkter Absatz besonders überschuldungsanfälliger Produkte entstanden, wie zum Beispiel die Peer2PeerKredite oder Buy Now Pay Later (BNPL). Die neuen digitalen Produktformen bieten aufgrund der bislang gültigen Regelungen keinen ausreichenden Schutz für die Verbraucherinnen und Verbraucher. Hinzu kommen aber auch noch die Veränderungen im Rahmen der COVID-19-Pandemie: Viele Menschen sind seitdem finanziell anfälliger und besonders schutzbedürftig.

Vor diesem Hintergrund kündigte die Kommission in ihrem Arbeitsprogramm für 2020 eine Überarbeitung der Verbraucherkreditrichtlinie an.

Was hat die Verbraucherkreditrichtlinie mit mir zu tun? Beispiele aus dem Alltag

Die Verbraucherkreditrichtlinie wird verpflichtende als auch optionale Punkte beinhalten. In einigen Punkten ist Deutschland schon weiter als die bisherige europäische Rechtslage, an anderen Punkten darf man sehr gespannt sein, wie die Umsetzung in nationales Recht erfolgen wird.

Buy Now Pay Later (BNPL)

Bislang waren Kredite unterhalb von 200 Euro sowie innerhalb von drei Monaten und mit wenig Kosten zurückzuzahlen, vom Anwendungsbereich des Verbraucherkreditrechts ausgeschlossen. Gleiches gilt für Finanzierungshilfen in Form des Zahlungsaufschubs, die zwischen einem/einer Verbraucherin bzw. Verbraucher und einem Unternehmer vereinbart werden. Insbesondere dies eröffnete in Deutschland ein Einfallstor für sogenannte Buy Now Pay Later Angebotem in denen Kreditgeber oder Online-Verkäufer bzw. Dienstleister jene Ausnahmetatbestände beispielsweise im Wege des „Kaufs auf Rechnung“ oder mittels involvierter Zahlungsdienstleister wie Klarna oder Paypal nutzten. Künftig hingegen unterfallen diese Konstellationen für Kreditverhältnisse dem Anwendungsbereich der Verbraucherkreditrichtlinie und lediglich Privilegierungen hinsichtlich der Werbung und Informationspflichten können vorgesehen werden.

Für den Zahlungsaufschub als Finanzierungshilfe gilt künftig eine neue Fristenregelung. Großunternehmen im Fernabsatz – ohne Involvierung von Zahlungsdienstleistern – unterfallen dem Verbraucherkreditrecht, sobald der Rechnungsbetrag später als 14 Tage fällig ist. Für Großunternehmen am Point-of-Sale sowie für sämtliche kleinen und mittelständischen Unternehmen gilt hingegen stets eine 50 Tage-Regelung. Damit ist nunmehr deutlich häufiger eine Kreditwürdigkeitsprüfung nach dem Verbraucherkreditrecht, die den Schuldner vor einer finanziellen Überforderung durch den kreditfinanzierten Kauf schützen möchte, verpflichtend als nach altem Recht. Es bleibt abzuwarten, wie diese Kreditwürdigkeitsprüfung ausgestaltet sein wird und ob es zumindest einen verpflichtenden Mindeststandard geben wird.

Schuldnerberatung für alle

Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass den Verbraucherinnen und Verbrauchern Schuldenberatungsdienste zur Verfügung gestellt werden. Hier bestehen große Unsicherheiten, wie die Umsetzung in Deutschland erfolgen wird. Wird dadurch künftig ein Recht auf Schuldnerberatung für alle Menschen ableitbar sein?

In der englischen Fassung heißt es dazu:

“Member States shall ensure that independent debt advisory services are made available to consumers who experience or might experience difficulties in meeting their financial commitments only for limited charges.”

Nun wird die entscheidende Frage sein: Wen genau umfasst der Begriff „consumers“ in der deutschen Übersetzung? Ist darin auch enthalten, dass bundesweit einheitliche Regelungen entstehen sollen? Derzeit haben zwar viele Menschen einen Zugang zur Schuldnerberatung, letztlich ist das aber in der Regel vom Wohnort abhängig und wie die jeweilige Kommune die Schuldnerberatung fördert. Ein Recht auf Schuldnerberatung[1] fehlt weiterhin.


[1] Auf die Notwendigkeit eines solchen Rechts haben kürzlich das iff, die BAG Schuldnerberatung und die Finanzwende verwiesen.