Das Spiel mit dem Glück

Viel Spiel, wenig Glück

Viele Menschen hoffen bei Glücksspielen auf das schnelle Geld. Die Realität sieht leider anders aus. Häufiges Spielen führt fast immer zu hohen Geldverlusten. Menschen mit glücksspielbedingten Problemen, die in den bayerischen Beratungsstellen nach Hilfe suchen, haben im Schnitt 24.000 Euro glücksspielbedingte Schulden. Neben den Betroffenen leiden häufig auch Angehörige unter den negativen sozialen, emotionalen und finanziellen Auswirkungen. Hilfs- und Informationsangebote bietet die Landesstelle für Glücksspielsucht in Bayern. Wir haben mit Konrad Landgraf, Geschäftsführer der Landesstelle Glücksspielsucht in Bayern (LSG) und Daniel Ensslen, Referent für Prävention bei der Aktion Jugendschutz, gesprochen.

Auf Instagram läuft die spannende Kampagne Zockerheld. Helfen Präventionsprogramme, um junge Menschen für die Gefahren von Glücksspiel zu sensibilisieren?

Daniel Ensslen: Natürlich gehen wir davon aus, Jugendliche und junge Erwachsene mit unseren Präventionsmaßnahmen zu erreichen und zu sensibilisieren. Allerdings ist es gar nicht so einfach, die Effekte gesondert von anderen Einflüssen sichtbar zu machen. Einer dieser Einflüsse ist z.B. Werbung für Glücksspiele, der auch Heranwachsende im Internet oder am Spielfeldrand von sportlichen Großereignissen ausgesetzt sind.

Bei einigen unserer Präventionsansätzen war es der von der LSG beauftragten Aktion Jugendschutz Bayern (aj) möglich, die Maßnahmen zu evaluieren. So haben beispielsweise das Computerspiel „Spielfieber – der Countdown läuft…“ oder das Multiplikatorenprojekt „Voller Einsatz – Damit Sport nicht zum Glücksspiel wird!“ in externen Studien gute Noten bekommen.

Selbst Jugendliche haben zum Großteil schon Erfahrungen mit für Minderjährige verbotenen Glücksspiele. Hier sehen wir es als unsere Aufgabe an, junge Menschen in positiven Kontexten die Möglichkeit zu bieten, sich auch mit den bedenklichen Aspekten von Glücksspielen auseinander zu setzen.

Bei Kampagnen wie Zockerheld auf Instagram ist es bereits eine große Herausforderung, einen gewissen Stamm an Followern zu erreichen. Der Kanal hat in rund drei Monaten ca. 180 Follower erreicht. In diesem Punkt haben wir unser selbst gestecktes Ziel noch nicht erreicht, weshalb wir im Laufe des Jahres den Kanal aktiv bewerben werden.

Wie viele Menschen haben ein problematisches Verhalten und gibt es Menschen, die besonders gefährdet sind?

Konrad Landgraf: Laut der aktuellen Bevölkerungsumfrage der BZgA kann für das Jahr 2019 in Deutschland von ca. 229.000 problematisch und ca. 200.000 pathologisch Glücksspielenden ausgegangen werden. Es gibt jedoch einige Risikofaktoren. Bei einer ungünstigen Kombination von mehreren dieser Risikofaktoren können sich glücksspielbezogene Probleme entwickeln. Grundsätzlich sind Männer, und hier vor allem junge Männer, häufiger betroffen als Frauen. Auf unserer Website haben wir übrigens die Entwicklung einer Glücksspielsucht in einer Grafik veranschaulicht. Dort werden die drei Phasen „Anfangsstadium“, „Gewöhnungsstadium“ und „Suchtstadium“ anhand verschiedener Merkmale dargestellt. Dabei muss man allerdings wissen, dass die Phasen fließend ineinander übergehen und individuell ganz unterschiedlich verlaufen können. Nicht alle dort genannten Punkte müssen auf jede Person zutreffen.

Wann wird das Spielverhalten problematisch?

Landgraf: Für viele Menschen sind Glücksspiele kein Freizeitvergnügen, sondern sie entwickeln zunehmend Probleme. Sie wenden immer mehr Zeit und Geld dafür auf, versuchen ihre Verluste wieder auszugleichen. Betroffene verlieren mehr und mehr die Kontrolle über ihr Spielverhalten. Die Übergänge von einem unproblematischen zu einem riskanten und problematischen Spielverhalten bis hin zu einer Glücksspielsucht sind fließend. Und die Übergänge werden von den Spielenden häufig nicht bemerkt. Für Probleme, die durch Glücksspielen entstehen, gibt es nicht die eine oder mehrere klar definierbare Ursachen.

Welche konkreten Hilfen gibt es für Betroffene?

Landgraf: Für Betroffene gibt es zahlreiche Hilfeangebote in Bayern. Die Landesstelle Glücksspielsucht hat bayernweit an 22 Suchtberatungsstellen spezialisierte Fachstellen für die Beratung von Personen mit Glücksspielproblemen und ihre Angehörigen eingerichtet. Gemeinsam mit weiteren 48 von der LSG geförderten Einrichtungen der Suchtkrankenhilfe und dem Betroffenenbeirat Bayern Stimme der SpielerInnen bilden sie das „Kompetenznetzwerk Glücksspielsucht“. Des Weiteren ist die Website www.verspiel-nicht-dein-leben.de eine wichtige Anlaufstelle für Hilfesuchende. Hier finden auch Angehörige von Betroffenen Hilfe. Außerdem bieten wir mit PlayChange (www.playchange.de) eine Online-Beratung an. Dort beraten wir Hilfesuchende kostenlos und anonym. Wir weisen auch immer auf unsere Website www.verspiel-nicht-mein-leben.de hin, auf der insbesondere Angehörige Hilfe finden. Ein Highlight ist „LOSgelöst“, eine Online-Hilfe-Tutorial mit großartigen Videos. So können sich Angehörige von zu Hause aus Hilfe holen. Das ist ein entscheidender Vorteil, denn viele trauen sich nicht, in eine Beratungsstelle zu gehen, weil sie sich für die Sucht des Partners oder der Partnerin schämen.  Ähnliche Hilfestrukturen gibt es auch in den anderen Bundesländern. Wer deutschlandweit Hilfe sucht kann diese hier finden: www.buwei.de

Wie gut funktionieren übergreifende Systeme wie Oasis, die Menschen für das Glücksspiel sperren?

Landgraf: Grundsätzlich begrüßen wir es sehr, dass es mit dem neuen Glücksspielstaatsvertrag seit Juli 2021 die rechtlichen Voraussetzungen für ein deutschlandweites und spielformübergreifendes Sperrsystem gibt. Dieses System soll es Glücksspielenden ermöglichen, sich mit einem Antrag für die meisten Glücksspiele off- und online sperren zu lassen. Lediglich wenige Ausnahmen wie etwa Lotterien, die maximal zweimal pro Woche stattfinden, oder Soziallotterien sind nicht vom Sperrsystem erfasst. Leider funktioniert das Sperrsystem auch nach mehr als einem halben Jahr immer noch nicht zufriedenstellend. So sind viele Spielhallen und Geldspielgeräte in Gastronomiebetrieben noch nicht an das Sperrsystem angeschlossen. Auch im Bereich des Online-Glücksspiels gibt es noch sehr große Lücken. Dies liegt daran, dass z.B. für virtuelle Automatenspiele noch keine Lizenzen vergeben wurden. Für Personen mit einer Glücksspielproblematik ist dies ein unerträglicher Zustand, da der Schutz, den das System eigentlich bieten sollte, aktuell noch nicht gewährleistet ist.

Neben den Suchtproblemen geht Glücksspiel oft mit finanziellen Problemen einher. Helfen hier Budgetplaner-Apps, um wieder einen Überblick zu bekommen?

Landgraf: Derartige Apps können eine Hilfe sein, um wieder einen Überblick über die eigenen Finanzen zu bekommen. Idealerweise sollten sie aber in einen Beratungsprozess eingebunden werden. Allein auf die Finanzen zu schauen, wird der eigentlichen Problematik nicht gerecht. Denn man muss wissen, dass es einem Menschen, der ein glücksspielbezogenes Problem hat, in den meisten Fällen nicht mehr ums Geld geht. Es geht um den Kick, um die Flucht aus der Realität.

Bei „free to play – pay to win“-Apps oder Videospielen werden häufig Elemente von Glücksspielen integriert. Wie bewerten Sie das?

Landgraf: Ich halte dies für eine gefährliche Entwicklung. Denn diese Elemente können als Trigger wirken und Menschen dazu verleiten, auch andere Formen des Glücksspiels zu versuchen. Und diese Spiele werden häufig von Kindern und Jugendlichen gespielt, die eigentlich überhaupt nicht an Glücksspielen teilnehmen dürfen.

Vielen Dank für das Interview!

Kurzinfo zur LSG

Die Landesstelle Glücksspielsucht in Bayern ist die zentrale Schnittstelle aller an der Prävention, Suchthilfe, Suchtforschung und Beratung bei Glücksspielsucht beteiligter Organisationen und Akteure. Beteiligt an der LSG sind die Bayerische Akademie für Sucht- und Gesundheitsfragen BAS Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt), das IFT Institut für Therapieforschung und der Betreiberverein der Freien Wohlfahrtspflege Landesarbeitsgemeinschaft Bayern für die Landesstelle Glücksspielsucht in Bayern e.V. Die LSG wird vom Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege finanziert, ist nicht weisungsgebunden und arbeitet fachlich unabhängig.

Unsere Aufgaben sind:

  • Zentrale Anlaufstelle zum Thema Glücksspielsucht
  • Sensibilisierung der Öffentlichkeit für suchtspezifische Risiken des Glücksspielens
  • Bayernweit Fachstellen für Glücksspielsucht
  • Telefon- und Online-Beratung sowie Selbsthilfeprogramme und Smartphone-App
  • Entwicklung von Maßnahmen sowie Schulung und Beratung von Fachkräften im Bereich der Prävention
  • Qualifizierung der Mitarbeitenden von Suchtberatungsstellen und komplementären Einrichtungen
  • Forschung, Monitoring und Sammlung epidemiologischer Daten, wissenschaftliche Expertise und Beratung sowie Interventionsforschung
  • Evaluation des Glücksspielstaatsvertrags
  • Transfer der Forschungsergebnisse in Politik und Praxis
  • Vernetzung von Praxis und Forschung
  • Beratung staatlicher Stellen zu Glücksspielsucht und Spielerschutz
  • Aufbau und Koordination von Angeboten im Bereich der Selbsthilfe
  • Aufbau und Koordination eines Betroffenenbeirats
  • Förderung trägerübergreifender Kooperation zwischen verschiedenen Berufsgruppen und Institutionen
  • Bildung eines Expertennetzwerkes
  • Optimierung und Qualitätssicherung der Früherkennungs- und Versorgungsstrukturen