Neustart nach Scheidung: (Finanzielle) Herausforderungen für Frauen in Deutschland
Die Situation geschiedener Frauen in Deutschland hat sich seit der Reform des Scheidungs- und Unterhaltsrechts im Jahr 2008 verschärft. Obwohl die Reform darauf abzielte, geschiedene Partner für ihren eigenen Lebensunterhalt verantwortlich zu machen, haben geschiedene Frauen immer noch in 85 Prozent der Fälle die Hauptverantwortung für die Kinder nach der Scheidung. Dies führt zu verschiedenen Herausforderungen, insbesondere im Berufsleben.
Ein zentrales Problem ist die unzureichende Kinderbetreuung, da bei jeder zweiten Scheidung Kinder versorgt werden müssen, während die Mutter arbeitet. Es mangelt an ausreichenden Kitaplätzen und flexiblen Betreuungszeiten, was es für geschiedene Frauen schwierig macht, Arbeit und Familie zu vereinbaren. Darüber hinaus arbeiten Frauen überwiegend in Teilzeit und nehmen geringfügige Jobs an, was ihre berufliche Entwicklung einschränkt und ihre Chancen auf gute Bezahlung oder Beförderungen verringert.
Das Ehegattensplitting im Steuerrecht benachteiligt Alleinerziehende und unverheiratete Paare weiterhin, indem es finanzielle Anreize für die traditionelle Rollenverteilung schafft. Frauen, die sich nach einer Trennung oder Scheidung beruflich weiterentwickeln möchten, stehen vor erheblichen Herausforderungen aufgrund von Erwerbsunterbrechungen und fehlender Berufserfahrung.
Eine Scheidung ist meist mit erheblichem emotionalem Stress verbunden. Die psychischen Belastungen, die mit einer Scheidung einhergehen, werden oft unterschätzt. Geschiedene Frauen können von Gefühlen wie Trauer, Wut, Schuldgefühlen und Einsamkeit überwältigt werden. Studien zeigen, dass geschiedene Menschen durchschnittlich vier Jahre benötigen, um sich emotional von der Trennung zu erholen. Frauen sind besonders betroffen und leiden häufig unter Identitätskrisen und Depressionen. Deshalb ist es wichtig, sich Unterstützung von Freunden, Familie oder professionellen Therapeuten zu holen, um diese psychischen Belastungen zu bewältigen.
Die finanziellen Auswirkungen einer Scheidung können ebenfalls verheerend sein. Frauen, insbesondere alleinerziehende Mütter, sind einem erhöhten Armutsrisiko ausgesetzt, da sie oft die Hauptsorgeverantwortung übernehmen und finanziell schlechter gestellt sind als ihre Ex-Partner. Diese finanzielle Abhängigkeit kann sich auch auf die langfristige Alterssicherung auswirken, da viele Frauen nur geringe Rentenansprüche sammeln können. Geschiedene Frauen stehen häufig vor dem Problem, nach einer längeren Erwerbsunterbrechung wieder in den Arbeitsmarkt einsteigen zu müssen. Dies kann aufgrund veralteter Qualifikationen, fehlender Berufserfahrung oder mangelnder Flexibilität seitens der Arbeitgeber schwierig werden. Darüber hinaus sind Frauen oft in Berufen mit niedrigeren Gehältern und geringeren Aufstiegschancen tätig, was ihre finanzielle Situation nach der Scheidung weiter verschärfen kann.
Nach einer Scheidung ist es wichtig, eine langfristige finanzielle Planung zu erstellen, um die eigenen Bedürfnisse und die der Kinder langfristig abzusichern.
Haushaltsbudget erstellen
Versicherungen und Altersvorsorgepläne überprüfen
Planung für eventuelle finanzielle Notfälle
Das Scheidungs- und Unterhaltsrecht in Deutschland ist komplex und kann für viele verwirrend sein. Es ist wichtig, sich über die eigenen Rechte und Pflichten im Falle einer Scheidung zu informieren und gegebenenfalls rechtliche Unterstützung in Anspruch zu nehmen, um eine faire finanzielle Vereinbarung zu treffen. Es gibt verschiedene staatliche und gemeinnützige Organisationen, die geschiedenen Frauen Unterstützung und Beratung anbieten. Dazu gehören beispielsweise Beratungsstellen für Frauen, Familienberatungsstellen, Jobcenter und Sozialämter. Diese Einrichtungen können Hilfe bei der Jobsuche, der Kinderbetreuung, der Wohnungssuche und der finanziellen Absicherung bieten.
Trotz dieser Herausforderungen gibt es Möglichkeiten, die finanziellen Auswirkungen einer Scheidung zu mildern. Partnerschafts- oder Eheverträge können die finanziellen Folgen einer Trennung oder Scheidung regeln und sicherstellen, dass beide Parteien fair behandelt werden. Darüber hinaus sollten Frauen ihre finanzielle Eigenständigkeit fördern, indem sie sich über ihre finanzielle Situation informieren und gegebenenfalls staatliche Unterstützung in Anspruch nehmen, wie Unterhaltsvorschuss, Elterngeld oder steuerliche Entlastungen für Alleinerziehende. Es ist auch wichtig, sich frühzeitig über die eigenen Rechte und Unterstützungsmöglichkeiten sowie die finanziellen Konsequenzen einer Scheidung zu informieren und sich gegebenenfalls rechtlichen Rat und professionelle Hilfe einzuholen.
Autorin: Mirjam Messingschlager