Finanzbildung trifft Demokratieförderung: Warum junge Menschen doppelt gestärkt werden müssen

Wie können junge Menschen befähigt werden, sich in einer zunehmend komplexen Welt selbstbestimmt und informiert zu bewegen, und zwar wirtschaftlich wie politisch? Die Antwort darauf beginnt mit einer doppelten Kompetenz: Finanzbildung und Demokratieförderung.

Finanzielle Bildung ist Demokratiebildung

Demokratie funktioniert dann gut, wenn die Bürger:innen politische Entscheidungen in ihren gesellschaftlichen und individuell maßgeblichen Konsequenzen einschätzen können und Bereitschaft an politischer Partizipation zeigen. Dies alles setzt ein Interesse an politisch relevanten Informationen voraus, gepaart mit der Fähigkeit, sie zu verstehen. Dies zu fördern, ist nicht nur Aufgabe der politischen Bildung, denn politische Entscheidungen sind immer auch auf die Gestaltung weiter Bereiche unserer Gesellschaft gerichtet.

Der Finanzbereich ist dabei ein sehr wichtiges Beispiel, weil hier insbesondere offenbar wird, dass Macht, finanzielle Ressourcen ebenso wie entscheidungsrelevante Informationen ungleich verteilt sind und auf diese Weise die zugestandene politische Gleichheit auf eine materielle Ungleichheit stößt. Marktmacht des Finanzanbieters kann dazu führen, dass Verbraucher:innen von wichtigen Finanzdienstleistungen ausgeschlossen werden oder aber diese nur zu ungünstigen Konditionen erhältlich sind. Auch haben es Vermögende im Finanzsektor leichter, ihre finanzielle Position zu verbessern als weniger Vermögende.

Aufgrund fehlender oder nicht verstandener Informationen wird das dann oft erst verstanden, wenn z. B. ein aufgenommener Kredit die Lebenssituation nicht zu stabilisieren hilft, sondern im Gegenteil, verschlechtert.

Je besser Bürger:innen die Funktionsweise des Finanzbereichs verstehen und systeminhärente Gerechtigkeitsmängel erkennen, desto stärker prägt dies ihre politische Haltung und kann ihre Bereitschaft mindern, die formal garantierte politische Gleichheit auch aktiv durch demokratische Partizipation zu nutzen. So könnten persönliche finanzielle Einbußen, die als ungerecht empfunden werden, ein institutionelles Misstrauen schüren, das über jene Institutionen des Finanzbereichs hinausgehen, die als die Verursacher der Misere gesehen werden. Insofern spielen der Finanzbereich und damit verbunden Einsichten in seine Funktionsweise für das Funktionieren von Demokratie eine wichtige Rolle.

Immer mehr Forschungsergebnisse machen deutlich, dass Finanzbildung nicht nur für den Einzelnen wichtig ist, sondern auch öffentliche Entscheidungen beeinflusst – von Wahlverhalten über wirtschaftliche Reformen bis hin zur Funktionsweise demokratischer Institutionen (vgl. Fornero/Preto 2023).

Der Beitrag von Finanzbildung

Finanzbildung legt die ökonomischen Grundlagen, um finanzielle Entscheidungen reflektiert treffen zu können. Sie hilft, Risiken und Erträge realistisch einzuschätzen, Machtüberlegenheiten zu erkennen und Informationsasymmetrien zu reduzieren. Darüber hinaus stärkt Finanzbildung die Fähigkeit, mit Unsicherheit umzugehen – ein zentrales Element souveräner Lebensführung. Wer unerwartete Ereignisse besser einordnen kann, bewahrt Handlungsspielräume und lässt sich weniger durch finanzielle Krisenerfahrungen politisch verunsichern.

Wie Arthur (2012, S. 164 f.) betont, greift dabei aber eine auf individuelle Kompetenzen und Konsumentscheidungen reduzierte Finanzbildung zu kurz. Sie stärkt zwar die persönliche Verantwortung, blendet aber strukturelle Machtverhältnisse und gesellschaftliche Ungleichheiten tendenziell aus. Finanzielle Bildung sollte daher nicht nur als ökonomische Selbstkompetenz, sondern als Teil einer umfassenden Bürger:innenbildung verstanden werden – also als Beitrag dazu, ökonomische Systeme kritisch zu reflektieren und soziale Gerechtigkeit aktiv mitzugestalten.

Finanzielle Entscheidungen sind immer auch Entscheidungen unter Unsicherheit. Eine gute Finanzbildung vermittelt deshalb nicht nur grundlegendes Wissen, sondern stärkt die Fähigkeit, finanzielle Risiken realistisch einzuschätzen und unvorhergesehene Ereignisse einzuordnen. Wer Unsicherheiten kompetent bewältigen kann, erlebt finanzielle Einbußen eher als temporäre Herausforderungen denn als existenzielle Bedrohung.

Damit trägt Finanzbildung zur finanziellen und demokratischen Resilienz bei: Sie verhindert, dass ökonomische Verunsicherung in politisches Misstrauen oder die Hinwendung zu vermeintlich einfachen Lösungen umschlägt. Stattdessen stärkt sie einen aufgeklärten Umgang mit Konflikten und die Bereitschaft, demokratische Einflussmöglichkeiten zu nutzen.

Eine kritische Finanzbildung im Sinne Arthurs (2012, S. 169 ff.) fordert deshalb, dass Lernende nicht nur „finanzielle Entscheidungen“ verstehen, sondern auch die Strukturen, in denen diese Entscheidungen stattfinden. Dazu gehört, Machtasymmetrien in Finanzsystemen sichtbar zu machen, etwa die Rolle von Banken, Plattformen und Regulierung, und deren Handeln in ihrer Wirkung für die Gesellschaft. Erst, wenn Lernende verstehen, wie diese Systeme soziale Ungleichheiten reproduzieren oder mindern, wird Finanzbildung zu einem demokratischen Lernprozess.

Diese Erweiterung der Perspektive macht es allerdings auch erforderlich, einen kritischen Blick auf diejenigen zu richten, die Finanzbildung anbieten. Anders gewendet sollte die Qualität der Finanzbildungsangebote nicht nur daran gemessen werden, ob sie individuell passfähig sind, sondern ob sie darüber hinaus den kritischen Blick auf die Art und Weise lehren, wie unser Finanzsystem organisiert ist.

Junge Menschen nicht vergessen

Besonders junge Erwachsene in prekären Lebenslagen – etwa am Übergang von Schule in Ausbildung, Studium oder Beruf – brauchen gezielte Bildungsangebote. Wer früh lernt, mit Geld umzugehen, entwickelt nicht nur individuelle Sicherheit, sondern auch gesellschaftliche Handlungsfähigkeit. Finanzielle und politische Bildung sollten deshalb gemeinsam gedacht und vermittelt werden – integriert in Schulen, Jugendhilfe, außerschulische Bildungsorte.

Dabei darf ein zentraler Konflikt nicht ausgeblendet werden: Viele junge Menschen verfügen schlicht nicht über ausreichend Geld, um finanzielle Spielräume überhaupt gestalten zu können. Bildung allein kann diese materiellen Engpässe nicht auflösen – sie braucht die Ergänzung durch soziale Sicherung und faire Chancenstrukturen. Junge Menschen sind die Altersgruppe mit der höchsten Armutsgefährdungsquote. Sie lag für die Altersgruppe 18-25 Jahre im Jahr 2023 bei 25 Prozent (Statistisches Bundesamt 2023).

Perspektivwechsel in der Finanzbildung

Finanzbildung sollte nicht nur individuelle Entscheidungen über den Umgang mit Geld in den Blick nehmen, sondern auch Fragen über die strukturelle Gestaltung unserer Gesellschaft behandeln. Konkret heißt das beispielsweise

  • Wie gerecht ist unser Steuersystem?  Steuerpolitik entscheidet wesentlich darüber, wie Lasten und Chancen in einer Gesellschaft verteilt werden. Erwerbsarbeit und Kapitaleinkommen werden unterschiedlich besteuert. Eine Vermögenssteuer fehlt gar ganz. Finanzbildung kann hier ein Bewusstsein dafür schaffen, wie Unterschiede in der steuerlichen Behandlung von Arbeit und Kapital ebenso wie eine fehlende Transaktionssteuer für Anlagen im Ausland wirtschaftliche Ungleichheiten verschärft.  
  • Wie wirken sich wirtschaftliche Ungleichheiten auf politische Stabilität aus? Große Vermögens- und Einkommensunterschiede gefährden langfristig den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Wer versteht, wie ökonomische Ungleichheit politische Teilhabe einschränkt, kann Populismus und Radikalisierung besser einordnen.
  • Welche Rolle spielt Geschlechtergerechtigkeit in ökonomischen Zusammenhängen? Unterschiedliche Löhne, Sorgearbeit und ungleiche Vermögensverteilung zeigen, dass finanzielle Fragen immer auch Fragen von Gleichstellung sind. Eine reflektierte Finanzbildung macht sichtbar, dass ökonomische Strukturen Geschlechterverhältnisse prägen und verändern können.
  • Wer beherrscht die Zahlungsinfrastruktur und wer wird ausgeschlossen? Wenn Zahlungsdienstleister gewisse Geschäftsbereiche regulieren (z. B. im internationalen Zahlungsverkehr) trifft das Gruppen, die ohnehin oft weniger finanziellen Spielraum haben und dass wir oft kaum bemerken, wie sehr solche technischen und regulatorischen Infrastrukturen unseren Alltag durchdringen (vgl. Keiner 2023).

Eine kritische, emanzipatorische Finanzbildung macht Zusammenhänge sichtbar und befähigt junge Menschen, sich für ein gerechteres Miteinander einzusetzen. Dabei lohnt auch ein Blick auf neue Vermittlungsformen, wie etwa Finfluencer, die Bildungsinhalte, Beeinflussung und Geschäftsmodelle oft eng miteinander verknüpfen (vgl. Peters 2025).

Finanzbildung im Sinne einer demokratischen Bürger:innenbildung muss also drei Dimensionen zusammenbringen: Verantwortung, Gleichheit und Engagement (Arthur 2012, S. 172). Sie stärkt nicht nur das Individuum, sondern fördert kollektives Handeln und das Bewusstsein, dass ökonomische und politische Teilhabe untrennbar verbunden sind.

Autorinnen-Info:

Prof. Dr. Ingrid Größl ist wissenschaftliche Leiterin und Vorstandsmitglied des institut für finanzdienstleistungen e.V. (iff) und forscht zu Geld- und Kreditmärkten, Finanzierungsrisiken kleiner und mittlerer Unternehmen sowie zu Diskriminierung und finanzieller Exklusion im Konsumentenkreditmarkt.

Dr. Sally Peters ist geschäftsführende Direktorin des institut für finanzdienstleistungen e.V. (iff) und arbeitet zu finanzieller Bildung und Überschuldung vulnerabler Verbrauchergruppen.

Literaturverzeichnis

Arthur, James (2012): Personal character and financial capability. In: J. Arthur & H. Cremin (Hrsg.): Debating Moral Education: Rethinking the Role of the Modern University. London/New York: Routledge, S. 165–178.

Fornero, Elsa; Lo Prete, Anna (2023): Financial education: From better personal finance to improved citizenship. In: Journal of Financial Literacy and Wellbeing, Vol. 1, S. 12–27. DOI: 10.1017/flw.2023.7. Online verfügbar unter https://www.cambridge.org/core/journals/journal-of-financial-literacy-and-wellbeing/article/financial-education-from-better-personal-finance-to-improved-citizenship/36663C80F62A7CA310F017343646D5BB 

Keiner, Alexandra (2023): Von eingefrorenen Konten und ungleichen Bedingungen im internationalen Zahlungsverkehr. In: eFin-Blog (Zentrum verantwortungsbewusste Digitalisierung), 2. November 2023. Online verfügbar unter https://zevedi.de/efinblog-von-eingefrorenen-konten-im-internationalen-zahlungsverkehr/

Peters, Sally (2025): Finfluencer*innen auf dem Prüfstand: Zwischen Bildung, Beeinflussung und Geschäftsmodell. In: eFin-Blog (Zentrum verantwortungsbewusste Digitalisierung), 28. Mai 2025. Online verfügbar unter https://zevedi.de/efinblog-finfluencer-zwischen-bildung-beeinflussung-und-geschaeftsmodell/

Statistisches Bundesamt (Destatis) (2023): Armutsgefährdungsquote nach Altersgruppen 2023. Ergebnisse des Mikrozensus. Online verfügbar unter https://www.destatis.de

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